In jener Zeit, als auf Schloss Randegg ein Ritter Heinrich von Randegg hauste, kam ein welscherAbenteurer in die Lande, der sich rühmte, aus Blei feinstes Silber und Gold zu brennen. Man hießihn nur den Unkenbrenner. Der wusste seine Kunst so geschickt und klug zu treiben, dass ihm Reiche und Arme großes Vertrauen schenkten und ihm alle Zucht und Ehre erwiesen.
Auch fand er unter den Bürgern zu Schaffhausen einen Genossen, mit dem er zusammen ein Metall schuf, das von Kennern für gutes und gerechtes Gold erklärt wurde. Von nun an wurde der fremde
Goldmacher wie ein Abgott verehrt und ihm von allen Seiten gehuldigt. Die Stadt Schaffhausen, der er große Reichtümer verheißen hatte, verlieh ihm besondere Freiheiten – und selbst der Adel
vergaß über dem Traum künftiger Goldschätze seinen Adelsstolz und begab sich in des Unkenbrenners Dienste.
Nur zu Konstanz wollte man jenes Gaukelspiel nicht glauben, weswegen der Unkenbrenner sich aufmachte und unter großem Gepränge, wie ein Fürst von Rittern und Knechten begleitet, in Konstanz
einritt. Hier bewährte sich seine Kunst so glücklich, dass jedermann wähnte, es wäre gerecht Ding, und ihm viel Gold geliehen wurde. Ja, so sehr war die ganze Gegend von seinem Rufe erfüllt, dass
man ihm auf dem Heimweg durch den Hegau sogar die Tochter des Randeggers zur Frau gab. Doch allzu lange ließen die goldenen Schätze auf sich warten, und die großen Anlehen, die er allerorten bei
geistlichen und weltlichen Herren gemacht hatte, wollten keine rechten Zinsen tragen. Darum begann man erst leise, dann aber stetig wachsende Zweifel an seiner Goldmacherkunst zu
hegen.
Und als der Unkenbrenner eines Tages verschwunden war, da musste der bestürzte Adel plötzlich einsehen, dass er schmählich geäfft wurde. Schließlich gelang es aber dem Ritter Konrad von
Friedingen und dem Tettinger, den Flüchtling zu erwischen und ihn auf der Burg Hohenkrähen zu bringen, wo er unter strengster Bewachung beweisen sollte, ob seine geheime Kunst echt oder eitel
Betrug sei. Dem Friedinger zog das die Feindschaft der Schaffhauser zu, die den Glauben an den Goldmacher noch nicht eingebüßt hatten und darum behaupteten, der Adel habe ihren Gast zur Flucht
bewogen und sodann festgenommen, um sich alleine seines Goldes zu versichern. Indessen wusste der Schlaue abermals zu entkommen. Er eilte nach Schaffhausen, wo die Randegger ihres abtrünnigen
Schwager noch vor dem Schwabentor habhaft wurden und ihn ohne Erbarmen erschlugen. Da kam es nun völlig an den Tag, dass der Adel und insbesondere die Familie derer von Randegg einem
hergelaufenen Betrüger ins Garn geraten waren.
Auch die Tochter des Randeggers, vom Volk nur die „Unkenbrennerin“ genannt, konnte der Schande nicht entrinnen mit der von nun an der Name ihres golddurstigen Vaters beladen war. Sie hat ihr junges, unschuldig mit Schmach bedecktes Leben bald darauf in einer Klosterzelle begraben.